Die Grube Dorothea

Dorotheer Rösche
Das Mundloch der Dorotheer Rösche gewährt angemeldeten Besuchern einen Zugang zur Untertagewelt im Bereich der einstigen Grube Dorothea.
Bergbau war zu allen Zeiten ein schwieriges und riskantes Unterfangen. Nicht nur die menschlichen, sondern auch die finanziellen Verluste konnten ohne Vorwarnung an die Existenz gehen. Wohl die meisten Bergbauunternehmen der Menschheitsgeschichte vermochten es nie, nachhaltig rentabel zu arbeiten. Sie wurden über kurz oder lang insolvent und ihre Namen gerieten in Vergessenheit.

Ganz anders stellte sich die Situation bei der Grube Dorothea im Burgstätter Revier bei Clausthal im Oberharz dar. Wer hier zu den frühen Investoren zählte, wurde nicht nur wohlhabend, sondern reich. Diese westlich des Oberen Pfauenteiches - oder wie Heinrich Heine formulierte: "Eine halbe Stunde vor der Stadt" - gelegene Erzgrube war das ergiebigste Silberbergwerk der gesamten Clausthaler Bergbauregion.

Historische Entwicklung der Grube Dorothea

Bereits in der Spätphase des 30jährigen Krieges nahmen immer mehr Bergwerke auf dem Burgstätter Gangzug ihre Tätigkeit auf. Die dazu notwendigen Erkundungsarbeiten folgten dem Verlauf der Erzadern in Richtung Südosten, so dass auch die neu entstandenen Silbergruben entsprechend positioniert waren. Schon vor den Krieg hatte es erste Grabungen vor Ort gegeben, welche aber noch nicht die reichhaltigen Erzgänge erreichten.

Im Jahre 1656 wurde in diesem Zusammenhang die Grube Dorothea erstmals in Betrieb genommen. Zunächst war die Arbeit dort von wenig Erfolg gekrönt. Bis 1705 arbeitete das Bergwerk mit Verlust und die Kuxinhaber mußten Zubuße leisten, doch dann stießen die Bergmänner auf überaus reiche Erzvorkommen. Diese im Berg gefundenen Vorräte an silberhaltigem Gestein sollten für mehr als anderthalb Jahrhunderte Bergbautätigkeit reichen. Die Einstellung der Arbeiten unter Tage erfolgte hier erst nach der Erschöpfung aller wirtschaftlich erreichbaren Vorräte im Jahre 1886.

Die Bergleute bauten zunächst das leicht zugängliche oberflächennahe Silbererz ab und drangen mit der Zeit immer tiefer in das Gebirge vor. Um 1720 wies der Schacht eine Teufe von etwa 180 Metern auf, 1751 waren es bereits 293 Meter und im Jahre 1778 347 Meter. Im 19. Jahrhundert erreichte die Grube Dorothea mit einer maximalen Tiefe von 576 Metern etwa das Niveau des Meeresspiegels.

Doch das notwendig gewordene Vorstoßen in immer größere Tiefen machte nun aber die beginnende Erschöpfung der Lagerstätte spürbar. Dennoch gelang es, die Grube Dorothea für weitere Jahrzehnte wirtschaftlich zu betreiben und nach und nach geringer werdende Ausbeutezahlungen an die Anteilseigner auszuschütten.

Zum Höhepunkt der Produktion förderten die insgesamt rund 150 Bergmänner wöchentlich rund 320 Tonnen Erz. Außer Silber gewann man aus dem metallhaltigen Gestein auch größere Mengen an Blei und Kupfer.

Das Bergwerk als erfolgreiches Wirtschaftsunternehmen

Mehr als 150 Jahre lang - von 1709 bis 1864 - warf die Grube Dorothea für ihre Anteilseigner ohne Unterbrechung jedes Jahr einen Gewinn ab. Etwa ab dem Jahre 1720 erhielten die Investoren für einen Zeitraum von etwa zwei Jahrzehnten pro Quartal und Kux eine Ausbeutezahlung von rund 110 Species-Thalern. Diese dem Reichthaler im Wert gleichen Münzen wurden seinerzeit im 9-Thaler-Fuß geprägt und hatten einen Feinsilbergehalt von jeweils 25,984 Gramm. Daher besassen zwei dieser Münzen etwa den Wert von drei Thalern im Graumannschen 14-Thaler-Fuß (16,7 Gramm Silber fein), welche vor allem im 19. Jahrhundert ausgeprägt worden sind.

Seinerzeit bekam ein Tagelöhner ebenso wie ein einfacher Soldat rund 50 Thaler im Jahr ausgezahlt. Ein Handwerker verdiente in dieser Zeitspanne etwa 70 Thaler und ein Lehrer ungefähr um die 100 Thaler.

Doch nicht nur die Inhaber der insgesamt 130 Kuxe profitierten enorm von der Ergiebigkeit des Berges und den fleißigen Händen der Bergmänner. In mit der Höhe der Ausbeutezahlungen vergleichbarem Maße wurde auch der Fiskus bzw. Landesherr bedacht. Fällige Steuern und das Vorkaufsrecht für die gewonnenen Metalle brachten somit auch dem Staat über mehrere Generationen hinweg einen erheblichen Gewinn.

Ab der Mitte des 18. Jahrhunderts begann die Ausbeute des Bergwerks allmählich abzusinken, um bis zum Jahre 1830 jedoch nicht zuletzt auf Grund des Einsatzes modernerer Förderverfahren wieder deutlich anzusteigen. Die erhaltenen Überlieferungen beziffern den Anteil der Grube Dorothea am Gesamtertrag des Clausthaler Reviers zu ihren besten Zeiten auf etwa ein Drittel.

Prominente Besucher

Besucherbergwerke stellen heutzutage attraktive Ziele für vielseitig interessierte aktive Einheimische und Urlauber gleichermaßen dar. Was in unseren Tagen zahlende Touristen anlockt, hat als Geschäftsmodell jedoch auch schon in der Vergangenheit - also in diesem Fall während der Betriebsphase der Grube Dorothea - recht gut funktioniert. Unzählige im Alter ergraute Gästebücher mit den Einträgen der einstigen Besucher dieses berühmten Oberharzer Silberbergwerkes geben darüber ein aufschlussreiches Zeugnis ab.

Der hohe Bekanntheitsgrad der Grube Dorothea eröffnete den Inhabern also die Möglichkeit für die erwähnten zusätzlichen Einkünfte. Im Laufe der Zeit besuchten daher unzählige prominente Persönlichkeiten diese ergiebige Oberharzer Silbermine. Zu diesen Gästen unter Tage gehörten u.a. Johann Wolfgang von Goethe, James Watt und Heinrich Heine. Letzterer veröffentlichte eine sehr temperamentvolle Beschreibung der heutzutage abenteuerlich anmutenden Zustände im Berg in seinem bekannten Werk "Die Harzreise".

Natürlich hat sich nicht jeder der wagemutigen Gäste in den Fremdenbüchern des Bergwerks verewigt. Die Gesamtzahl der zahlenden Besucher über alle Jahre hinweg wird auf ungefähr 20.000 geschätzt. Das ist nicht wenig, wenn man bedenkt, dass seinerzeit Tourismus im heutigen Sinne noch nicht existierte und das einfache Volk kaum Möglichkeiten zum Reisen besaß.

Die Dorotheer Erzwäsche

Bevor das im Bergwerk geförderte Silbererz in den Schmelzofen gelangen konnte, waren noch diverse Schritte der Vorbereitung notwendig. Taubes Gestein und andere Verunreinigungen mussten zuvor entfernt und das Material zerkleinert werden, um diesen energieaufwändigen Prozeß rentabel gestalten zu können.

Westlich des Unteren Pfauenteiches und ein wenig südlich der heutigen Altenauer Straße befand sich die für diese Zwecke errichtete Dorotheer Erzwäsche. An diesem Ort erfolgte die erstmalige Aufbereitung der aus den Tiefen der Grube Dorothea geförderten Roherze. Das metallhaltige Gestein wurde dort mit Hilfe von Wasser von grobem Schmutz befreit und anschließend mechanisch zerkleinert und angereichert. Heute sind von dieser gewaltigen Anlage keine Überreste mehr zu sehen.

Die erste Eisenbahn Deutschlands

Bereits gegen Ende des 18. Jahrhunderts experimentierte man im Clausthaler Revier unter Tage recht erfolgreich mit schienengeführten Fahrzeugen zum Erztransport. Zu Beginn des 19. Jahrhunderts wagte man dann auch entsprechende arbeitserleichternde Versuche an der Erdoberfläche. So beförderte man z.B. ab dem Jahre 1806 das dem Berg abgerungene Material vom Schacht der Grube Dorothea zur Dorotheer Erzwäsche über ein etwa 600 Meter langes Gleis. Auf diesem fuhren spezielle, "Hunte" genannte Waggons mit jeweils mehreren Tonnen des silberhaltigen Gesteins. Der Transport erfolgte noch vergleichsweise technologiearm mittels Schwerkraft, denn das Gelände hat dort ein leichtes Gefälle.

Diese etwas südwestlich am Unteren Pfauenteich vorbeiführende Bahnanlage stellte nicht nur die erste Eisenbahn im eigentlichen Sinne in Deutschland dar, sondern auch auf dem gesamten europäischen Festland. Von dem historischen Bauwerk haben sich vor Ort leider keine sichtbaren Relikte bis in unsere Tage hinein erhalten.

Erhaltene Relikte

Nach der Einstellung der Bergbautätigkeit in der Grube Dorothea wurden die übertägigen Anlagen zurückgebaut, so dass für den unkundigen Betrachter das Bergwerk aus dem Gesichtsfeld verschwand. An dieser Situation hat sich bis in unsere Tage hinein prinzipiell nichts verändert, denn von den einstigen Betriebsgebäuden sind keine sichtbaren bzw. zuzuordnenden Relikte mehr zu erkennen. Lediglich einige Hinweistafeln markieren den ungefähren Standort des früher so bedeutsamen Silberbergwerkes.

Dennoch hinterließ die Grube Dorothea gemeinsam mit den benachbarten Bergwerken des Burgstätter Reviers ein - zumindest auf menschliche Dimensionen bezogen - dauerhaft verändertes Landschaftsbild. Dieses wird heute geprägt von historischen Bergbauhalden sowie zahlreichen Teichen, Wassergräben und Wasserläufen - und das nicht nur im näheren Umfeld, sondern im gesamten Oberharz. Der Bau all dieser weitläufigen, zur Versorgung der Silberminen bestimmten wasserwirtschaftlichen Anlagen ist selbst bei globaler Betrachtung derart einzigartig, dass sie im Jahre 2010 in ihrer Gesamtheit zum Weltkulturerbe erhoben wurden.

Heutige Nutzung

Der Erzbergbau in der Grube Dorothea ist längst Vergangenheit, ebenso wie der im gesamten Oberharz. Die in die Tiefe führenden Schächte der seinerzeit so ergiebigen Silbermine sind verfüllt und das untertägige Grubengebäude unterhalb des Ernst-August-Stollens geflutet. Somit scheint der Gedanke an eine heutige Nutzung dieses Altbergbauobjektes zunächst etwas abwegig erscheinen.

Dennoch ist seit einer gewissen Zeit ein kleiner Abschnitt der weitläufigen untertägigen Anlagen wieder für Touristen zugänglich. Diese können die Dorotheer Rösche als Teil der einstigen Energieversorgung im Rahmen einer Führung besichtigen. Nach vorheriger Anmeldung erhalten die Besucher der alten Bergwerksanlage eine spezielle Ausrüstung für die "Befahrung" der 700 Meter langen Strecke. Der Weg führt vom Mundloch des Wasserlaufes am Damm des Mittleren Pfauenteiches bis zum Wetterschacht der Grube Caroline. Dort gelangt man auf Leitern etwa 20 Meter in die Höhe, bis das Tageslicht erreicht ist.

Eine weitere, nicht sofort offensichtliche indirekte Nutzung des schon vor Generationen stillgelegten Bergwerkes stellt das vielfältige touristische Interesse an den bereits erwähnten Bauwerken der Oberharzer Wasserwirtschaft dar. Ohne die Grube Dorothea und die angrenzende Caroline würden wohl viele der malerischen Gewässer sowie die sie verbindenden Infrastrukturelemente nicht existieren, weil sie für die Altvorderen schlicht nicht notwendig und auch nicht finanzierbar gewesen wären.


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