Ein Denkmal für einen Wilddieb

Ein Denkmal für einen Wilddieb
Das Gangloff-Denkmal in Sylda - Denkmal für einen Wilddieb
"Sacrilegia minuta puniuntur, magna in triumphis feruntur." (Kleine Verbrechen werden bestaft, während Große in Triumphzügen gefeiert werden.) - wußten schon die alten Römer. Und gibt es nicht tatsächlich genügend Beispiele, wo Schwerkriminelle als Kaiser, Könige, Heerführer, Diktatoren oder Politiker in die Geschichtsbücher eingingen und ihnen auf diese Weise ein ewiges Denkmal gesetzt wurde? Der sprichwörtliche Hühnerdieb dagegen, welcher oftmals nur sein Überleben sichern wollte, erreichte im allgemeinen nicht einmal den Status einer Fußnote der Geschichte. Doch auch hierbei gibt es Ausnahmen - wenn z.B. der Betreffende bereits zu Lebzeiten eine Legende war und große Beliebtheit erlangte. Das einfache Volk setzte eben seit jeher andere Maßstäbe als die jeweils Herrschenden und war diesen daher auch von Anbeginn ein Graus. An diesem Zustand hat sich im Prinzip bis heute nichts geändert - und vermutlich wird dies auch bis in alle Ewigkeit so bleiben.

In Sylda im Harz lebte einst der Leineweber Johann Gottfried Gangloff mit seiner Frau und sechs Kindern. Die industrielle Revolution brachte es mit sich, daß der Stoff im Ausland auf Maschinen immer hochwertiger und billiger hergestellt werden konnte. Aus diesem Grund brachte die mühselige und qualitativ schlechtere Handarbeit immer weniger Verdienst ein. Nicht nur die schlesischen Weber fletschten daher die Zähne, auch ihren Kollegen und Leidensgenossen im Harz erging es nicht besser. Von seiner Arbeit konnte Gangloff seine Familie bald nicht mehr ernähren - und so wie ihm widerfuhr es auch den anderen Webern im Ort.

Aus der Not heraus begann Johann Gottfried Gangloff mit der Wilderei in den umliegenden, aber auch in weiter entfernten Wäldern. Er war ein guter Schütze und beendete seine Streifzüge nie mit leeren Händen. Zunächst ließ die Obrigkeit ihn gewähren, doch Gangloff wurde immer dreister und perfektionierte seine Vorgehensweise. Mit Mut, List und guter Ortskenntnis entging er lange Zeit seinen zahlreicher werdenden Verfolgern.

Oft arbeitete er mit anderen Dorfbewohnern Hand in Hand, wobei einige Polizei und Förster auf eine falsche Spur führten und andere die erlegten Wildtiere über die nahe Grenze auf anhaltinisches Gebiet brachten und dort verkauften. Vom Erlös profitierte nicht nur Gangloff allein, sondern auch seine diversen Helfer und zahlreiche weitere bedürftige Menschen im Dorf. Auf diese Weise wurde der Wilddieb Gangloff schnell populär und hatte in seinem Wohnort Sylda ein sicheres Rückzugsgebiet.

Im Jahre 1834 fand man einen Revierförster, von welchem bekannt war, daß er Gangloff nachstellte, erschossen auf. Gangloff wurde daraufhin beschuldigt, den Mann getötet zu haben. Man verhaftete ihn, doch ihm gelang die Flucht aus dem Gefängnis in Sangerhausen. Die Schuld an der Tat konnte Gangloff nicht nachgewiesen werden. Dennoch lebte er von nun an mit dem Makel, ein möglicher Mörder zu sein (was er aber nicht war). Außerdem wurde der beim Volk beliebte Wilderer steckbrieflich gesucht. Immerhin 100 Thaler, seinerzeit etwa der Jahreslohn eines Leinewebers, waren auf seinen Kopf ausgesetzt.

Bei einem Schußwechsel mit einem Förster wurde Johann Gottfried Gangloff am 10. Juni 1837 verletzt und anschließend gefangen genommen und abermals nach Sangerhausen ins Gefängnis gebracht. Im November des gleichen Jahres starb er an diesem ungastlichen Ort. Anschließend wurde er in Sangerhausen an einer unbekannten Stelle beigesetzt.

In der Folgezeit bildeten sich zahlreiche Legenden um den von den einfachen Menschen verehrten Wilddieb. Ihm wurden in Laufe der Zeit auch Taten und Eigenschaften zugeschrieben, welche es so nicht gegeben hat. Der trickreiche Wilderer, welcher seine Verfolger immer wieder zum Narren hielt, entwickelte sich zum Volkshelden. Er erlangte dadurch eine Unsterblichkeit, wie sie sonst für Menschen seiner Art nicht üblich ist.

In unseren Tagen wird das Andenken an Johann Gottfried Gangloff durch ein Denkmal in seinem einstigen Wohnort Sylda bewahrt. Es steht auf einem kleinen Platz wenige dutzend Meter nordwestlich der St.-Marien-Kirche. Auf Metalltafeln sind Auszüge aus seinem Lebenslauf sowie Daten aus dem Steckbrief zu lesen. So erfahren Sie u.a., daß Gangloff eine mittlere Größe und einen mageren Körperbau hatte, außerdem hohe Schultern, einen "schiebenden Gang" und Pulverflecken im Gesicht. Wenn Sie den Harzort Sylda besuchen, sollten Sie also auch diese eigentümliche Sehenswürdigkeit besichtigen - denn ein Denkmal für einen Wilddieb sieht man schließlich nicht alle Tage.

 


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Weitere Informationen:
Sylda | Sangerhausen | Johann Gottfried Gangloffs Geburtsort Hohlstedt

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