Gedenkstein zum Tag der Deutschen Einheit am 3. Oktober 1990

Gedenkstein zum Tag der Deutschen Einheit am 3. Oktober 1990

Die Stadt Elbingerode ließ anläßlich der Vereinigung der beiden deutschen Staaten im Jahre 1990 einen Gedenkstein aufstellen. Dieser steht im Goethepark unweit des Goethesteins und erinnert an das historische Datum, welches der 3. Oktober 1990 zweifellos darstellt.

Weil der Stein in einer Parkanlage zu Ehren des großen deutschen Dichters, Staatsmannes und Wissenschaftlers Johann Wolfgang von Goethe platziert wurde, wäre es doch gar zu schön, auch ein passendes Zitat des "Dichterfürsten" zum Thema auf dem Stein zu verewigen. Man wurde auch - scheinbar - fündig, und nun steht dort eine Aussage, welche Goethe in diesem Sinne nie getätigt hatte.

Es handelt sich um ein längeres Zitat aus dem Jahre 1828, welches fragmentarisch und damit (bewußt?) sinnentstellt wiedergegeben wird. Auf der Metalltafel des Gedenksteins steht folgende Inschrift:

"Mir ist nicht bange,
Daß Deutschland nicht eins werde,
Vor allem
Sei es eins in Liebe untereinander -
Und immer sei es eins,
Daß der deutsche Thaler und Groschen
Im ganzen Reiche
Gleichen Wert habe -
Eins, daß mein Reisekoffer
Durch alle deutschen Länder ungeöffnet
Passieren könnte."

Der aus dem Gesamtzusammenhang gerissene und um entscheidende Passagen gekürzte Text ist jedoch erheblich umfangreicher und lautet im Original wie folgt:

"Mir ist nicht bange, daß Deutschland nicht eins werde; unsere guten Chausseen und künftigen Eisenbahnen werden schon das ihrige tun. Vor allen aber sei es eins in Liebe untereinander, und immer sei es eins gegen den auswärtigen Feind. Es sei eins, daß der deutsche Taler und Groschen im ganzen Reich gleichen Wert habe; eins, daß mein Reisekoffer durch alle sechsunddreißig Staaten ungeöffnet passieren könne. Es sei eins, daß der städtische Reisepaß eines weimarischen Bürgers von dem Grenzbeamten eines großen Nachbarstaates nicht für unzulänglich gehalten werde, als der Paß eines Ausländers. Es sei von Inland und Ausland unter deutschen Staaten überhaupt keine Rede mehr. Deutschland sei ferner eins in Maß und Gewicht, in Handel und Wandel und hundert ähnlichen Dingen, die ich nicht alle nennen kann und mag.
Wenn man aber denkt, die Einheit Deutschlands bestehe darin, daß das sehr große Reich eine einzige große Residenz habe, und daß diese eine große Residenz, wie zum Wohl der Entwickelung einzelner großer Talente, so auch zum Wohl der großen Masse des Volkes gereiche, so ist man im Irrtum."

Nach einem Vergleich mit dem zentralistisch organisierten Frankreich fährt er fort:

"Wodurch ist Deutschland groß als durch eine bewundernswürdige Volkskultur, die alle Teile des Reichs gleichmäßig durchdrungen hat. Sind es aber nicht die einzelnen Fürstensitze, von denen sie ausgeht und welche ihre Träger und Pfleger sind? - Gesetzt, wir hätten in Deutschland seit Jahrhunderten nur die beiden Residenzstädte Wien und Berlin, oder gar nur eine, da möchte ich doch sehen, wie es um die deutsche Kultur stände, ja auch um einen überall verbreiteten Wohlstand, der mit der Kultur Hand in Hand geht!"

Goethe endet nach der Nennung zahlreicher deutscher Städte und ihrer Bedeutung mit den folgenden Worten:

"Würden sie aber wohl bleiben, was sie sind, wenn sie ihre eigene Souveränität verlieren und irgendeinem großen deutschen Reich als Provinzialstädte einverleibt werden sollten? – Ich habe Ursache, daran zu zweifeln."
(aus "Gespräche mit Goethe in den letzten Jahren seines Lebens" von Johann Peter Eckermann)

Es wird deutlich, daß der altersweise Goethe die Vorzüge der vielen deutschen Kleinstaaten mit ihren Monarchen unterschiedlicher Ausprägung durchaus zu schätzen weiß und ihm eher eine Art Wirschaftsverbund bzw. Zollunion als Zukunft für die "36 deutschen Staaten" vorschwebt. Einem einheitlichen und zentralistischen Nationalstaat erteilt er jedenfalls eine klare Absage.

Ein passendes Zitat Goethes zur deutschen Einheit im Jahre 1990? Es wäre so schön gewesen! Doch leider hat er es - so wie auf dem Gedenkstein zitiert - nie gesagt. Ob Goethe das Deutschland in seinem heutigen Zustand wohl gefallen würde?

 


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