Der Lautenthaler Kunstgraben

Der Lautenthaler Kunstgraben
Die ersten Meter des Lautenthaler Kunstgrabens nahe Wildemann
Der Lautenthaler Kunstgraben ist ein künstlicher Wassergraben im Oberharz. Er befindet sich zwischen den ehemals freien Bergstädten Wildemann und Lautenthal an den Westhängen des Adlersberges, des Wöhlersberges und des Kranichsberges. Einst diente der Graben der Versorgung der Bergwerke um Lautenthal mit Aufschlagwasser zum Antrieb der dortigen Wasserräder.

Der Zweck des Kunstgrabens

Der aufwändige Bau eines Wassergrabens erfolgte in der Epoche der frühen Neuzeit nur mit zwingendem Grund. Die Wassermenge des kleinen, durch Lautenthal fließenden Bergflusses Laute war zum Antrieb der Wasserräder in den Lautenthaler Erzgruben nicht ausreichend. Daher musste von entfernteren Orten zusätzliches Wasser dorthin transportiert werden.

Man entnahm das kostbare Naß zunächst dem 13-Lachter-Stollen in Wildemann. Als Ansatzpunkt des Lautenthaler Kunstgrabens wurde jene Stelle gewählt, an welcher sich bis heute das im 13-Lachter-Stollen gelöste Wasser in die Innerste ergießt. Dieses Wasser aus dem Inneren der Harzberge konnte somit genauso in den Graben eingeleitet werden wie später ebenfalls das des genannten Gebirgsflusses.

Da das Gefälle des Lautenthaler Kunstgrabens geringer ist als das der Innerste, gewinnt er gegenüber dem Flußniveau bis Lautenthal rund 59 Höhenmeter. Sein Wasser war damit in der Lage, die großen Kunsträder der dortigen Bergwerke in Bewegung zu versetzen.

Bau, Lage und Größe des Bauwerkes

Der Lautenthaler Kunstgraben wurde ab dem Jahre 1570 in mehrjähriger Bautätigkeit angelegt. Im 30jährigen Krieg kam der Bergbau um Lautenthal in wesentlichen Teilen zum Erliegen, weshalb auch der Wassergraben nicht genutzt wurde. Um das Jahr 1681 wurde er deshalb nach einer längeren Phase des Trockenliegens grundlegend erneuert.

Der Lautenthaler Kunstgraben hat eine Länge von 8390 Meter und überwindet auf dieser Strecke einen Höhenunterschied von knapp 15 Meter. Zum Schutz des Bauwerkes kleidete man es innen in harztypischer Weise mit witterungsbeständigem Trockenmauerwerk aus. Der Wassergraben verläuft über weite Strecken entlang an steilen Berghängen an der Ostseite des Innerstetals.

An drei Abschnitten mit sehr unwegsamen Hanglagen erfolgte der Bau von unterirdischen Wasserläufen mit einer Gesamtlänge von 244 Meter. Diese Tunnel wurden im 18. und 19. Jahrhundert in den Fels geschlagen. Sie verkürzten die Strecke, erhöhten das Gefälle und erleichterten vor allem im Winter die Wartung des Wassergrabens.

Die Transportkapazität des Lautenthaler Kunstgrabens lag bei etwa elf Kubikmetern Wasser pro Minute. Der Wasserstand im Graben betrug in diesem Fall etwa 30 Zentimeter.

Die Einleitung aus dem 13-Lachter-Stollen

Der Lautenthaler Kunstgraben wurde ursprünglich nur aus dem 13-Lachter-Stollen gespeist, einem Wasserlösungsstollen, dessen Anfänge in die Zeit des "Alten Mannes" zurück reichen und damit in eine undokumentierte ferne Vergangenheit. Das Auslaufmundloch des 13-Lachter-Stollens befindet sich seit Menschengedenken auf der anderen Seite der Innerste rund 130 Meter südwestlich des Beginns des nach Lautenthal führenden Wassergrabens. Somit musste das Wasser nicht nur diese Entfernung, sondern auch den an dieser Stelle tiefsten Punkt des Innerstetales - also das Flußbett - überwinden. Aus diesem Grund überquerte das aus dem Inneren der Berge stammende kostbare Naß des uralten Wasserlösungsstollens in einer "Gefluder" genannten hölzernen Rinne diesen bedeutenden Harzfluß in mehreren Metern Höhe. Seinerzeit konnte die Innerste selbst noch nicht angezapft werden, da ihr Wasser für andere Bergwerke weiter talwärts gebraucht wurde. Die Holzkonstruktion war zwar einfach in ihrer Herstellung, aber aufwändig im Unterhalt, denn die seinerzeit noch sehr harten Winter im Oberharz setzten dem Bauwerk unbarmherzig zu.

Um das Jahr 1720 beschloß man, die Bergwerke im Hüttschenthal ebenfalls aus dem Lautenthaler Kunstgraben mit Wasser zu versorgen und nicht wie bisher direkt aus der Innerste. Daher fanden einige Umbauarbeiten an der Fernwasserleitung statt, welche deren Verlauf an einigen wenigen Stellen geringfügig veränderten. Am Wassereinleitungspunkt errichtete man zudem ein Wehr, dessen Reste auch heute noch erkennbar sind. In der Folge konnte die Wasserversorgung der Bergwerke im Hüttschenthal und bei Lautenthal auf eine breitere Basis gestellt werden.

Tunnel verkürzten den Weg des Wassers

Entlang der Strecke des Lautenthaler Kunstgrabens wurden im Laufe der Zeit drei Wasserläufe in den Fels geschlagen. Diese bewirkten eine Abkürzung des Weges, welchen das kostbare Naß nehmen musste. Des Weiteren sorgten sie für eine geringfügige Erhöhung der Wassertemperatur im Winter und allgemein des Gefälles und damit der Fließgeschwindigkeit.

Die Wassertunnel vereinfachten außerdem die Unterhalts- und Wartungsarbeiten - besonders in der kalten Jahreszeit. Eine Abdeckung der auf diese Weise stillgelegten Grabenabschnitte mit Reisig zur Verhinderung des Einfrierens entfiel somit. Damit sparten die Bergleute kostbares Material und ebenso wertvolle Zeit. Nicht zuletzt wurden durch die Wasserläufe einige besonders von Hangveränderungen gefährdete Strecken der Fernwasserleitung außer Betrieb genommen, womit auch bisher immer wieder notwendige Reparaturarbeiten entfielen.

Während einer Wanderung an dem historischen Kunstgraben kommen Sie von Süden nach Norden an diesen Wasserläufen vorbei:
Der Wasserlauf Adlersberg-Süd stellt den ältesten Wassertunnel am Lautenthaler Kunstgraben dar. Er wurde im Jahre 1733 wegen akuter Steinschlaggefahr am betroffenen Abschnitt des Grabens angelegt. Das Tunnelbauwerk ist etwa 60 Meter lang und lediglich 1,60 Meter hoch. Leider schüttete man im Jahre 1972 nach der Außerbetriebnahme der Anlage das Einlaufmundloch des Wasserlaufes zu. Somit können Sie dieses heute nicht mehr besichtigen.

Im 19. Jahrhundert wurde der Wasserlauf Adlersberg-Nord in den Berg getrieben. Der Grund hierfür war wiederum die Gefahr des Steinschlages im stillzulegenden Hangbereich des Wassergrabens. Das Bauwerk misst 125 Meter in der Länge und verfügt im Inneren über einen mit einer Stahlkonstruktion verstärkten Ausbau.

Der Wasserlauf Wöhlersberg entstand im Jahre 1753 und weist eine Länge von nur 65 Meter auf. Es handelt sich um einen reinen Felstunnel ohne zusätzlichen Innenausbau.

Alle genannten Tunnel sind bereits seit Jahrzehnten außer Betrieb und daher leider in einem entsprechend funktionsunfähigen und überwiegend ruinösen Zustand. Die vom Menschen geschaffenen Hohlräume im Fels stellen heute einen geschützten Lebensraum für Fledermäuse und andere Tierarten dar. Eine Sanierung der durch stählerne Gitter bzw. Mauerwerk vor dem Betreten gesicherten Wasserläufe wie auch des übrigen Grabenverlaufes ist derzeit nicht geplant.

Zuflüsse und Fehlschläge

Der Lautenthaler Kunstgraben sammelte das von den Hängen der Berge herabrinnende Oberflächenwasser sowie das kostbare Naß einiger kleiner temporärer und namenloser Zuflüsse ein. Je nach Jahreszeit und dem damit verbundenen zusätzlichen lokalen Wasserangebot stellten diese Kleingewässer eine willkommene Ergänzung des Grabenwassers dar oder aber auch ein Zuviel an Flüssigkeit. Um Schaden vom Bauwerk abzuwenden, musste diese das Fassungsvermögen des Lautenthaler Kunstgrabens überschreitende Menge kontrolliert abgegeben werden. Dies geschah mittels sogenannter Fehlschläge, also Vorrichtungen zur Ableitung des überschüssigen Wassers in Richtung Tal und damit letztendlich in die Innerste.

Nutzung nach dem Ende der Bergbau-Ära

Im Verlauf der 20er Jahre des 20. Jahrhunderts neigte sich in Lautenthal die Ära des Bergbaus allmählich ihrem Ende entgegen. In dieser letzten Phase erfolgte der Antrieb der Maschinen unter Tage auch nicht mehr mit Hilfe der Wasserkraft.

Bereits ab 1920 wurde daher der historische Wassergraben einer neuen und zeitgemäßeren Nutzung zugeführt. Das von Wildemann hergeleitete kostbare Naß stürzte in einem neu errichteten Grubenkraftwerk 56 Meter in die Tiefe und trieb dort zwei Turbinen mit einer Gesamtleistung von etwas mehr als 200 kW an. Bis zum Jahre 1967 erzeugte man hier auf diese Weise umweltfreundlichen Strom.

Doch auf Grund auslaufender Nutzungsrechte endete auch diese Epoche der Energiegewinnung aus Wasserkraft. In der Folge setzte man den inzwischen fast vier Jahrhunderte alten Lautenthaler Kunstgraben sowie die drei mit ihm verbundenen Wasserläufe außer Betrieb.

Schutzstatus

Bald nach dem Ende der wasserwirtschaftlichen Nutzung des Lautenthaler Kunstgrabens begann der Verfall der historischen Fernwasserleitung. Vermutlich gab es aber bereits in den ersten Jahren nach der Stilllegung Menschen, welche an den Erhalt der vorindustriellen Anlage für die Nachwelt dachten. Diese Situation betraf auch viele andere, dem Verfall preisgegebene Relikte der Bergbauzeit im Oberharz.

Aus diesem Grund stellte man die verbliebenen Reste des Lautenthaler Kunstgrabens im Jahre 1978 mitsamt zahlreicher weiterer historischer Bauwerke unter Denkmalschutz. Seitdem gehört der Wassergraben zum Kulturdenkmal "Oberharzer Wasserregal" und seit dem 31. Juli 2010 außerdem zum Weltkulturerbe der UNESCO.

Der WasserWanderWeg "Lautenthaler Kunstgraben"

Der rund 9400 Meter lange WasserWanderWeg "Lautenthaler Kunstgraben" folgt der namensgebenden historischen Fernwasserversorgungsanlage der Lautenthaler Bergwerke. Die Route startet am Beginn des Grabens im Norden von Wildemann und führt Sie bis zu seinem Ende am Nordhang des Kranichsberges oberhalb der ehemals freien Bergstadt Lautenthal.

Der WasserWanderWeg nutzt den Damm und einstigen Weg der Grabenwärter. Mehrere Infotafeln am Wegesrand erläutern Ihnen die Funktion des komplexen wasserwirtschaftlichen Bauwerks und seiner Bestandteile sowie die entsprechenden Zusammenhänge mit dem Harzer Bergbau. Diverse Sitzbänke entlang der Strecke laden außerdem zu kleineren oder auch größeren Pausen ein.

Dank des geringen Gefälles von lediglich 1,70 Meter pro Kilometer Wegstrecke können Sie auf diesem Weg bequem in beide Richtungen wandern. Im Raum Wildemann befindet sich in unmittelbarer Nachbarschaft unterhalb des historischen Wassergrabens der weitestgehend parallel verlaufende Innerste-Radweg.

Als Ausgangspunkt für die Wanderung eignet sich gut der Parkplatz an der Straße in Richtung Langelsheim nahe des Mundlochs des 13-Lachter-Stollens unweit der Polizeistation von Wildemann. In der Nähe befindet sich auch eine Bushaltestelle, so dass Sie auch recht unkompliziert mit öffentlichen Verkehrsmitteln anreisen können. Noch mehr Haltestellen finden Sie weiter ortseinwärts.


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Weitere Informationen:
Die Innerste | Lautenthal | Wildemann | Der 13-Lachter-Stollen | Das Oberharzer Wasserregal | Wasserwanderwege im Oberharz

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