Die Sage vom Heiligen Teich

Der Heilige Teich bei Gernrode im Harz  
Es wird Abend am Heiligen Teich.  
Hathui (Hedwig) war die erste Äbtissin des Klosters zu Gernrode und die Schwieger­tochter des Stift­gründers, dem Mark­grafen Gero. Die fromme Frau hielt sich besonders gern im Ostergrund am Heiligen Teich auf. Dem Teichwasser wurden im Laufe der Zeit auf Grund ihres häufigen Aufenthalts heilende Kräfte zugeschrieben. In der Folge suchten viele Kranke den Teich zur Linderung ihrer Leiden auf.

Einst war Hathui selbst schwer erkrankt. Zu dieser Zeit wurde sie zu einer Sterbenden gerufen, bei der sie trotz ihrer eigener Schwäche die ganze Nacht am Bett wachte und betete sowie die Beichte abnahm, bis die Frau friedlich einschlief. Die damit verbundene Anstrengung schwächte Hathui jedoch noch mehr und es ging ihr am folgenden Tag besonders schlecht. Sie konnte deshalb auch nicht wie gewohnt den Heiligen Teich aufsuchen.

Zu jener Stunde, zu welcher sie sonst an diesem Gewässer weilte, starb sie im Kloster an einem Blutsturz. Daraufhin färbte sich das Wasser des Teiches zunächst blutrot und zeigte sich anschließend in einem leuchtenden Grün. Es dauerte eine Weile, bis der Heilige Teich wieder seine natürliche Farbe annahm.

Diese Sage verherrlicht einerseits die sog. christliche Nächstenliebe, nicht zuletzt wohl auch als Gegenstück zum verdrängten und als barbarisch konnotierten heidnischen Glauben. Andererseits irritiert sie durch ihre erhebliche zeitliche Inkongruenz. Die beschriebene Person wirkte im frühen 11. Jahrhundert, doch die geschilderten Ereignisse spielten sich an einem erst im 18. Jahrhundert für Bergbauzwecke angelegten Gewässer ab. Möglicherweise gab es aber schon im Hochmittelalter an diesem Ort einen kleinen gleichnamigen Teich. Wahrscheinlicher ist aber, dass die Geschichte erst viel später entstand und nachträglich in der Zeit zurückversetzt wurde, wobei die Handlung in einen Widerspruch mit den historischen Abläufen geriet.


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Weitere Informationen:
Gernrode | Das Stift Gernrode | Der Heilige Teich | Sagen aus dem Harz

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